Pfälzischer Zahnärztetag in Hambach
Zwischen KI und Kostendruck:
Pfälzischer Zahnärztetag diskutiert aktuelle Herausforderungen
Demografischer Wandel und Fachkräftemangel, Milliardendefizite und Digitalisierung:
Das Gesundheitssystem in Deutschland steht vor massiven Herausforderungen. Beim Pfälzischen Zahnärztetag
kritisierten die Zahnärzte den fehlenden Mut der Politik, grundlegende Reformen anzugehen. Sie forderten mehr
Zutrauen in die Heilberufe und die Selbstverwaltung.
„Neue Zeiten – neue Ziele“ – so lautete das Motto des Pfälzischen Zahnärztetages, zu dem die Bezirkszahnärztekammer
(BZK) Pfalz und die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) Rheinland-Pfalz am 28. Juni 2025 eingeladen hatten. Dr. Micha-
el Orth, Vorsitzender der BZK Pfalz, begrüßte über 200 Gäste auf dem Hambacher Schloss, einem Symbol für Freiheit, Einheit
und Demokratie. „Zahnärztinnen und Zahnärzte sind Teil der Bürgergesellschaft. Wir stellen uns dem politischen Diskurs,
legen aber auch den Finger in die Wunde“, sagte er. Er betonte die Bedeutung der Gesundheitspolitik als Teil der Daseinsvor-
sorge. Enttäuschend sei daher deren geringer Stellenwert im Koalitionsvertrag der neuen Regierung. „Wir hätten uns ein
deutliches Bekenntnis zur Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung gewünscht“, so Orth. Finanzierungslücken im Gesundheits-
system mit wiederkehrenden Kostendämpfungsmaßnahmen, steigende Praxiskosten und Bürokratie betrachtete er als Her-
ausforderungen, die das Handeln der Zahnärzte lähmten. Dabei belegten die „gigantischen Präventionserfolge, was ein
freiheitliches Gesundheitssystem schaffen kann, wenn man den Akteuren nicht die Luft zum Atmen nimmt“, betonte Orth.
Falsche Fairness
Dr. Christine Ehrhardt, Vorstandsvorsitzende der KZV Rheinland-Pfalz, beleuchtete die Sicherstellung der flächendeckenden
Versorgung als drängende Herausforderung. Gerade in ländlichen und strukturschwachen Regionen sinke die Niederlas-
sungsbereitschaft. Unter dem Deckmantel eines Fairnessausgleiches plane der Gesetzgeber nun, in das zahnärztliche Zulas-
sungsverfahren, die Bedarfsplanung und die Honorarverteilung einzugreifen. „Mit diesen Plänen werden die Zahnärzte für
eine Entwicklung in Geiselhaft genommen, für die sie nicht verantwortlich sind. Die Politik blendet aus, wie es um die gesam-
te Infrastruktur in den strukturschwachen Gebieten steht. Deren Zustand ist ursächlich für das Abwandern und zwar nicht
nur von Zahnärzten, sondern von der Wirtschaft und großer Teile der jungen Generation“, kritisierte sie. Verantwortlich sei
vielmehr die Politik, die in der Fläche keine gleichwertigen Lebensverhältnisse geschaffen habe. Komme der Staat seinen
Verpflichtungen nicht nach, würden auch staatliche Eingriffe in Zulassung und Honorarverteilung die wohnortnahe Versorgung
nicht verbessern. Das zeigten die Erfahrungen bei den Ärzten, betonte Ehrhardt. Die Pläne der Politik stellten einen Eingriff
in die Selbstverwaltung dar, der zu weiteren Planungsunsicherheiten für die Zahnärzteschaft führen werde. „Dadurch sinkt
die Bereitschaft zur Niederlassung mit hohen Investitionskosten weiter“, prognostizierte sie. Allerdings reichte sie der Politik
die Hand: „Für einen wertschätzenden, konstruktiven Dialog sind wir jederzeit bereit, um vor Ort Lösungen für schwierige
Versorgungssituationen gemeinsam mit den Krankenkassen und den Kommunen zu finden.“
Mangelnde Bereitschaft
Für Dr. Jürgen Fedderwitz, ehemaliger Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, entstehen Herausforde-
rungen im Gesundheitswesen aus dem „Magischen Dreieck“, in dem Staat, Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und
Zahnärzteschaft mit unterschiedlichen Aufgaben und Interessen, aber gegenseitigen Abhängigkeiten agieren. Die Finanzie-
rung der GKV sieht er als die wesentliche Herausforderung. Er bemängelte die Fixierung der Politik auf die Stabilität der
Beitragssätze – deren Beibehaltung sei nahezu unmöglich – sowie deren mangelnde Bereitschaft, das solidarisch finanzier-
te Gesundheitssystem zu reformieren. „Solange dies nicht geschieht, wird sich nichts Grundlegendes ändern“, sagte Fedder-
witz. Er monierte auch den fehlenden Mut der Politik, von Versicherten mehr Eigenverantwortung zu fordern. Aus seiner
Sicht führt die Abhängigkeit der zahnärztlichen Honorare von der Entwicklung der Grundlohnsumme zu einer anhaltenden
Budgetierung, die den Alltag der Zahnärzte weiter prägen werde. Verschärft würden die Finanzprobleme der GKV durch die
gesamtwirtschaftliche Situation und demografische Entwicklung. Die Zahnärzteschaft stehe darüber hinaus vor Herausfor-
derungen bei der Sicherstellung der Versorgung infolge der Überalterung im Berufsstand, der abnehmenden Niederlassungs-
bereitschaft und der wachsenden Zahl Medizinischer Versorgungszentren. Trotz dieser Hürden betonte Fedderwitz den ho-
hen fachlichen Anspruch der Zahnärzteschaft: „Unser Ziel muss es bleiben, Patienten lebenslang eine bestmögliche
Zahngesundheit zu ermöglichen.“ Dafür forderte er klare politische Rahmenbedingungen, die eine qualitativ hochwertige und
patientenorientierte Versorgung langfristig sichern.
Fantastisch und brandgefährlich
Alle zwei Jahre ist das Hambacher Schloss Schauplatz des Pfälzischen Zahnärztetages. Die Zahnärzteschaft diskutiert ne-
ben zahnärztlichen Positionen auch gesellschaftskritische und wissenschaftliche Themen. Festrednerin in diesem Jahr war
Prof. Dr. Alena Buyx, Medizinethikerin und Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Technischen
Universität München. In ihrem Vortrag „Medizin – Zwischen Mensch und Maschine“ sprach sie über die Möglichkeiten und
Grenzen Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin. Sie betonte, dass die Diskussion zwischen Extremen schwanke. Ihrer
Meinung nach ist KI „eine klassische Dual-Use-Technologie, wie Atomkraft. KI kann viel Gutes tun. Zugleich ist sie brandge-
fährlich.“ KI habe „fantastische Fähigkeiten“. Sie könne aber mit der menschlichen Intelligenz in all ihren Dimensionen nicht
Schritt halten. „Wir sind mehr als Statistik. Unsere Intelligenz ist sozial, emotional, verkörpert und historisch“, erklärte Buyx.
Deswegen dürfen und können KI-Anwendungen niemals die moralisch relevante Letztverantwortung übernehmen und den
Menschen ersetzen“, mahnte sie. An die Zahnärzte appellierte sie, zum Wohle der Patienten mitzuentscheiden, welche Be-
reiche ihrer Tätigkeit für KI zugänglich gemacht werden sollten und welche nicht. Diese Entscheidung könnten weder Pro-
grammierer noch Politiker treffen. Buyx: „Sie sind die Experten.“
Viel erreicht
Prof. Dr. Bernadette Pretzl, Oberärztin an Poliklinik für Parodontologie der Goethe Universität Frankfurt/Main und Direktorin
der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe, skizzierte in ihrem wissenschaftlichen Vortrag, welche Erfolge durch
zahnärztliche Therapie erzielt werden konnten. Dabei spannte sie den Bogen von der Kariologie bis zur Parodontitis, unter-
mauert durch Daten der Deutschen Mundgesundheitsstudien. Die Reduktion der Karies und der Zahnerhalt bis in höhere
Alter nannte sie als positive Beispiele. „Wir haben schon viel erreicht, einige Wünsche zur Mundgesundheit bleiben aber noch
offen“, bilanzierte sie. So profitierten Kinder mit Migrationsgeschichte noch nicht gleichermaßen von den zahnärztlichen
Präventionsangeboten. Rund 14 Millionen Menschen litten an einer schweren Form der Parodontitis mit großem Behand-
lungsbedarf. Sie lud die Zahnärzte deshalb ein, „auch in Zukunft gemeinsam mit den Patienten den Mut aufzubringen,
scheinbar Unmögliches zu wagen, um das Mögliche zu erreichen“.
(Text: Katrin Becker, Pressestelle der KZV Rheinland-Pfalz)